Erfahrungen mit weltwärts

Schon lange war mir klar, dass ich nach dem Abitur nicht direkt studieren, sondern ins Ausland gehen wollte. Wohin genau und was, wusste ich allerdings lange nicht – es gibt einfach zu viele Möglichkeiten! Letztendlich habe ich mich für einen Freiwilligendienst im Rahmen von weltwärts entschieden. Ich landete nach mehreren Zufällen relativ spontan bei EVIM und wenige Wochen später in Benin.

Die Vorbereitungszeit für das Jahr in Benin war intensiv und aufregend. Bereits das Vorbereitungsseminar ließ meine Mitfreiwillige und mich zu dem Schluss kommen, dass unsere Entscheidung nach Benin zu gehen, eine der besten Entscheidungen unseres Lebens sein würde.

Als wir dann nicht einmal einen Monat später nach insgesamt 8h Flug aus dem Flugzeug steigen, wurden wir zunächst von einem Schwall feucht-warmer Luft erdrückt. Die letzten Tage in Deutschland waren recht kühl, dagegen ist es hier wirklich warm, doch das war noch gar nichts! Zu Beginn der Trockenzeit sollten wir erst so richtig zu spüren bekommen was ein Klimaunterschied zu bedeuten hat.

Als wir zum Seminarhaus, unserer Unterkunft für die nächste Woche fuhren, war es dunkel. Trotzdem waren die ersten Eindrücke bereits überwältigend. Die Luft roch irgendwie scharf und ein wenig würzig. Die Fahrt von Cotonou nach Porto-Novo – zu zehnt eingeengt in einem Minibus – war holprig und aufregend. Nadja stellt einen ersten Vergleich auf: "Hier ist es ein bisschen wie in Südfrankreich". Tatsächlich erinnern Pflanzen und Architektur ziemlich an Südfrankreich, von der Sprache mal ganz abgesehen.

Aber schon am nächsten Tag wird klar: Benin ist nicht wie Südfrankreich, auch nicht wie irgendetwas anderes das ich kenne. Benin ist nicht vergleichbar, Benin ist einfach Benin. Die Wiege des Voodoo, das Land der Zems und Märkten, Heimat von Köstlichkeiten wie pâte und alloko. Ein Land, das uns immer wieder überraschen wird; ein Land, das unser Zuhause wird; ein Land, das Fiona und ich lieben lernen werden.

Es ist nicht leicht, in einer anderen Kultur zu leben, denn Kultur prägt mehr Lebensbereiche als man denkt. Doch es ist unglaublich wertvoll, einmal diese Erfahrung gemacht zu haben und man lernt so viel mehr als man sich je vorzustellen gewagt hätte.

In einer fremden Kultur zu leben erfordert Offenheit, es kostet auch Energie, aber es macht auch jede Menge Spaß. Hier führt jeder mit jedem auf der Straße Smalltalk, wir werden immer von allen Seiten begrüßt. Ich fühle mich nicht nur wie der Gast unserer Mentoren, sondern wie der Gast aller Beniner, denn genauso werde ich behandelt. Um mich in der fremden Kultur zurechtzufinden bekomme ich von allen Seiten Hilfe. Wo überquere ich wie am besten die Straße, wie finden wir beim Verhandeln die richtigen Preise heraus, wie isst man die kleinen wilden Mangos? (Besonders letzteres kann sich ohne Vorkenntnisse als eine sehr klebrige Angelegenheit herausstellen.)

Und irgendwann ist es ganz normal, die Tomaten zum richtigen Preis auf dem Markt zu besorgen, bei Stoffen knallhart zu verhandeln und der Schneiderin per Bluetooth einen Screenshot des Kleides zu schicken, dass man gerne hätte. Es ist Alltag, auf dem Weg zur Arbeit Ziegen und Hühnern auszuweichen, die Wäsche von Hand zu waschen und mit den Taxis von Ort zu Ort zu reisen, eingequetscht zwischen Menschen und mit einem fremden Kind auf dem Schoß. Und man kann sich gar nicht mehr vorstellen nicht „Bon travail!“ zu sagen, wenn man an jemanden vorbeikommt; ohne Moskitonetz zu schlafen oder keine frische Ananas auf dem Heimweg genießen zu können.

Wir wurden mutiger, haben uns pudelwohl gefühlt und viel von Benin gesehen. Den Nationalpark im Norden, wo wir aus nächster Nähe Löwen bewundern konnten; Ganvié, ein Pfahldorf auf dem Lac Aheme; die traumhaften Strände von Grand Popo; die alten Paläste von Abomey – und natürlich immer wieder die Hauptstadt Porto-Novo und die Metropole Cotonou. Wir haben auch alle anderen Freiwilligen, die über das ganze Land verstreut waren, besucht und in deren spannende Projekte geschaut. Schön war aber stets wieder das Nachhausekommen in unser „Zimtparadies“ in Sakété, durch die zur Heimat gewordenen, vertrauten Straßen zu laufen – und von unseren Kindern jubelnd willkommen geheißen zu werden.

Denn am meisten vermissen wir heute die Menschen, die wir kennenlernen durften. Vor allem eben: unsere Kinder! Fiona und ich waren Freiwillige im Waisenhaus Saint Augustin de Sakété, wo wir uns um die rund 30 Kinder und Babys kümmern durften.

In einem Waisenhaus gibt es wirklich immer jede Menge zu tun: Bei den Hausaufgaben helfen, die Kinder für die Schule oder die Nacht umziehen, den Babys das Fläschchen geben, für Unterhaltungsprogramm in Form von Musik, Spielen oder Malen sorgen, Gartenarbeit, in der Küche helfen oder technisches Know-How weitergeben. Langweilig wurde einem da eigentlich nie. „Unsere“ Kinder, wie wir sie nennen, lieben sowohl Macarena, als auch französische Kinderlieder. Tanzen können sie auf fast jede Musik, aber auch Haushaltsarbeiten, wie im Garten helfen, machen ihnen so deutlich mehr Spaß.

Es ist faszinierend zu beobachten, wie man selbst in eine Aufgabe hineinwächst, in ihr aufgeht und sie einen ganz erfüllt. Wir hatten es am Ende echt drauf, konnten immer mehr Projekte machen und waren ein echter Teil der Waisenhaus-Familie.

Es ist uns sehr schwer gefallen, uns von Benin zu verabschieden. Es war ein unglaubliches Jahr, in dem wir beide unvorstellbar viel gesehen, erlebt und gelernt haben. Und das ist es, was bleibt: Ein ganz anderer Blickwinkel, ein anderes, tieferes Verständnis von der Welt, dem das so abgegriffene Wort „Perspektivwechsel“ einfach nicht gerecht wird. Eine kritischere Sichtweise auf unsere Kultur teilweise, auf jeden Fall eine differenziertere. Ein ganz neues Selbstbewusstsein, andere Prioritäten. „Interkulturelle Kompetenz“, Erfahrungen, Glück. Und so viel Dankbarkeit.


Weitere Informationen zum Auslandsdienst bei EVIM findest du hier.